Warum Improvisieren?
Wenn man den Autor eines Kunstwerkes fragt (eine notwendige und berechtigte Frage) : "Warum hast du das so gemacht?", so hat diese Frage zwei Bedeutungen. Einmal fragt sie nach dem Ergebnis, also: "Warum hast du gemacht, dass das so ist?" Das ist keine Frage, sondern ein ( berechtigtes und notwendiges) Urteil: "Wie du es gemacht hast, so war es (nicht) gut". Dieses Urteil ist gleichzeitig das Ziel, das Ende des Gespräches: der Autor ist jemand, der -genau wie der Betrachter- eine ästhetische Entscheidung getroffen hat. Er bestimmt etwas als "schön" aus seiner Autonomie heraus, und dieser Akt ist unverständlich, muss es sein. Aber der Autor veröffentlicht seine Entscheidung und damit setzt er sich dem Betrachter aus, er setzt ihn ein zum Richter über den Wert seiner Entscheidung. Die andere mögliche Bedeutung der Frage eröffnet ein anders verlaufendes Gespräch über Kunst: "Auf welche Art hast du das gemacht und warum auf genau diese?". Zu fragen nach dem Herstellungsverfahren bedeutet: den Autor verstehen wollen, sich in ihn hineinversetzen. Gleichzeitig wird durch diese Betrachtung die Hierarchie des Vorganges verändert: nicht mehr der sich exponierende Künstler und der wertende Konsument, sondern der Initiator eines Kommunikationsvorganges und der teilnehmende Beobachter. In unserem Fall lautet eine solche weiterführende Frage : "Warum improvisieren?".
Ich möchte als Antwort eine These aufstellen: Improvisation (als künstlerisches Verfahren) ist ein politisches Modell, weil sie spielerisch nach der Grundvoraussetzung für eine freie Kooperation forscht: der unhierarchischen Kommunikation zwischen autonomen Subjekten. Anders formuliert: wenn Autoren ihre ästhetischen Entscheidungen in einen gemeinsamen Raum hinein veröffentlichen, so stellen sie (in der privilegierten Situation der Zweckfreiheit) jedes Mal ein Bild eines politischen Vorgangs her: die freie Begegnung von autonomen Entscheidungen. Dabei können sie Entdeckungen machen.
Beispielsweise können sie entdecken, dass die Themen, die Probleme nicht von außerhalb gesetzt werden, sondern in der (und durch die) Kommunikation entstehen. Das Problem ("das Vorliegende") ist immer das, was in den gemeinsamen Fokus kommt.
Bedürfnisse müssen nicht gerechtfertigt werden. Sie sind unerklärlich. Das Recht- die Richtung, in der sie betrachtet, behandelt werden- muss gemeinsam verfertigt werden, bedarfsorientiert.
Die Autoren stellen fest, dass gemeinsam verfertigte Verfahren die Probleme nicht erledigen, dass diese immer wiederkehren, in einer Art Spiralbewegung. Man begegnet der selben Frage, aber sie scheint andere Parameter, eine andere Ebene zu betreffen.
Aus all diesen Beobachtungen können Regeln abgeleitet werden: Alle Beteiligten sind frei , also gestalte deine Interventionen unabhängig. Plane nicht das Verhalten der anderen. Halte Mitarbeit für möglich, aber versuche nicht, sie zu erzwingen.
Solche Regeln können an einem anderen Punkt der Spirale wiederum als Probleme, Bedürfnisse oder Verfahren aufgefasst und so weiterverarbeitet werden.
Improvisation ist eine alltägliche Tätigkeit. In der Kunst wird sie ein Spiel. Aus dem Raum der Kunst heraus bringt sie (endlos, zweckfrei) Möglichkeiten von Zusammenarbeit an den Tag.