CW: In unserem letzten Gespräch haben wir über verschiedene Dinge gesprochen: Dass Improvisation ein bestimmtes Tempo nicht überschreiten kann über einen pragmatischen Umgang damit, dass man bestimmte Dinge mit Improvisation erzeugen kann und andere Dinge nicht. Wir haben geredet über die Entstehung von Bedeutung durch Koordination. Ich habe mir als "hint" aufgeschrieben: wenn dreissig Leute etwas singen, dann ist das bedeutsamer als wenn ein Mensch etwas singt. Wir haben uns gefragt, ob das mit Raum zusammenhängt, mit der Grösse des Raumes. Wir haben geredet über Webern opus 6...

OS: Ja, Webern als jemanden, der den Raum als Parameter eingeführt hat, sich speziell dafür interessiert hat.

CW: Wir haben geredet über die Syntax von Musik und das Gefängnis Material, also diese bleibende Materialdiskussion. Was mir am meisten hängengeblieben ist, ist die Diskussion über Pragmatismus gewesen, also über Pragmatismus und Verantwortung. Das finde ich ein interessantes Thema, dass man sagt auf der einen Seite gibt es einen Bedarf an Antworten, -also an Erklärung- oder an Fragen, und auf der anderen Seite gibt es ein Bedürfnis nach Machen, nach Handlungsinstrumenten. Sowas wie Serialismus hat ja ein Handlungsinstrument geliefert, da konntest du ja produzieren wie wild. Da war wahrscheinlich auch das, was die Leute so begeistert hat.

OS: Das schliesst auch wieder an die Materialdiskussion an, weil das ist natürlich genau das, was ich mir erträume von den "Materialmaschinen", wie ich sie jetzt mal nennen möchte, dass man grosse Mengen an Material generieren kann, schnell und leicht...Ich bin ja auch immer wieder faziniert von Musik, die mit sehr vielen Tönen um sich wirft, also eben auch das Gegenteil von improvisierter Musik...

CW: Naja, die tun das ja machmal auch. Wenn man jetzt versucht, eine Musik rein nach dem Gehör zu analysieren, dann erkennt man ja, ich nenne das jetzt einfach mal musikalische Objekte oder noch schwammiger: "Strukturen", also man erkennt Strukturen beim Hören. Die meisten Leute, die sich beruflich mit Musik beschäftigen, sehen ja keine Bilder oder so was, das passiert nur relativ selten, ich kenne das auch aus dem Kollegenkreis kaum, dass man Bilder oder Gefühle hat oder Erinnerungen. Es ist in der Regel so, dass man Musik hört, weil sie eine Struktur hat, die einen anspricht.

OS: Gestalten...

CW: Gestalten ist ja schon eine Spezialform von Strukturen, es kann auch eine Textur sein, die man spannend findet, das können bestimmte Objekte sein, Klangobjekte, die man reizvoll findet, siehe u-mul (von younghi pagh-paan), dieses Federgeräusch, am Besten kann man das wahrscheinlich überhaupt erklären, wenn man jetzt mal so ein Stück nimmt wie u-mul. Wo man sagt, da gibt es ganz viele Punkte, die man benennen kann, warum das (Stück) interessant ist. Das sind Dinge, die für mich immer was zu tun haben damit, dass eine Einfachheit da ist, die aber nicht "schlicht" bedeutet, sondern die bedeutet möglicherweise komplex, möglicherweise weniger komplex, -aber: klar strukturiert.

OS: Im Sinne von lesbar, oder?

CW: Ja, die einen reinholt...

OS: Klar strukturiert für den Hörer...

CW: Der es möglicherweise völlig anders strukturiert, als der Komponist es strukturiert hat, das ist nicht der Punkt.

OS: Jetzt reden wir ja darüber, wie man Musik hört...ich fürchte das ist sehr individuell...

CW: Vor allem gibt es einen grossen Unterschied, wie Musiker Musik hören und wie Nichtmusiker Musik hören- und eigentlich ist die Musik ja für die Nichtmusiker da...

OS: Aber auch bei den Musikern gibt es grosse Unterschiede: es gibt den sportlichen Aspekt, weniger wertend gesagt den energetischen Aspekt, was bei mir auch zu diesen Überlegungen des pragmatischen Umgangs mit Improvisation und Komposition geführt hat. Ein bestimmter energetischer Aspekt ist in der Art von Improvisation, die ich interessant finde, nicht möglich, weil ab einer bestimmten Geschwindigkeit koordinierte Kommunikation nicht mehr möglich ist...

CW: Das finde ich eine sehr gute Art, es auszudrücken, das ist letztendlich das, wo ich vielleicht ein bisschen zu umständlich hinaus wollte, das Hören spielt beim Improvisieren eine Rolle, wie du das ja formuliert hast in diesem kleinen Text. Also eigentlich ist es schon interessant, darüber zu reden, wie ein Musiker Musik hört, weil er das tut während er improvisiert. Ein improvisierender Musiker hört Musik, während er spielt. Und da ist eine bestimmte Geschwindigkeit der Aufeinanderfolge oder der Überlagerung von Strukturen, also entweder Dichte oder Geschwindigkeit- da gibt es eine Grenze. Da sind wir uns ja ziemlich einig, dass es eine Grenze gibt, wo diese Dinge nicht mehr gleichzeitig erdacht und reflektiert werden. Und dann gibt es dieses Diktum: Denken beim Spielen (Improvisieren) verboten. Finde ich nicht, da sind wir uns ja auch einig. Und dann gibt es natürlich dieses Phänomen, dass man auch über diese anderen Strukturen verfügen möchte...

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OS: Ich finde, dass diese (komponierten) Strukturen ja mit dem improvisierenden Musiker/Hörer ja auch wieder was machen, wenn man sie in den Prozess hineingibt, das merkt man ja selber auch, wenn man ein Solostück übt, welches relativ "flink" ist, eine Energie hat im oben genannten Sinne, dann macht das ja was mit dem eigenen Zustand und verändert auch die Dinge, die man hinterher hervorbringt. Es wird Teil des Prozesses, auch wenn es aussen steht. Das könnte doch ein Werkzeug sein, auf die Improvisation einzuwirken, sie zu verändern, also innerhalb der Begrenzungen, die wir benannt haben. Für den alleinigen Hörer wirkt/funktioniert das sowieso, das fand ich eben an diesem Spahlinger-Stück ("gegen unendlich") so interessant. Da kommt nach dem, ich nenne es mal "spektralen Untersuchungsteil", der durchaus auch mit improvisatorischen Mitteln so änlich hätte stattfinden können, ein schneller, hochenergetischer, zappaesker Teil, der dann das, was davor stattfindet, zu etwas anderem macht...

CW: ...Also, was ich so irre finde, z.B. in meinem Streichquartett, da ist so eine Stelle drin, wo es so einen pizz. gibt und das ist einmal synkron und einmal vier über fünf. Wie unterscheidet sich das? Also mich interessiert immer: könnte man das auch improvisieren?

OS: Schwierig...

CW: Schwierig, wenn man mit einer improvisierten Version möglichst nah drankäme, wie würde das aus unserer Erfahrung als Improvisatoren wahrscheinlich aussehen: Es würde einer anfangen, pöng- pöng- pöng-, der andere würde mitmachen und würde dann irgendwann ein accelerado spielen und der erste würde dabei bleiben, wenn es gut läuft. Wenn es nicht so gut läuft, würde der andere mitgehen und man würde ein gemeinsames accelerando machen. Das heisst, es gibt bestimmte Formen von Trivialität in solchen improvisatorischen Abläufen, die sich mit relativ viel Aufwand bekämpfen lassen, also siehe Nuova Consonanza, also alles was man da hört, richtet sich eigentlich gegen die Trivialität, oder gegen die Zwangsläufigkeit von Trivialität.

OS: Aber schliesst damit auch ganz viel beglückende, vielleicht trivial zu nennende, Elemente aus, die für mich mit den tänzerischen und kultischen Aspekten von Musik zu tun haben. Diese Aspekte möchte ich auch haben...

CW: Mich treibt auch immer die Frage um, ob es nicht möglicherweise erst im Gesamtzusammenhang einen Sinn ergibt, dass man vielleicht die Musik von jemanden als Ganzes kennen muss, um zu verstehen... Der Feldman hat jahrelang, jahrzehntelang nur diese Sachen gemacht, die immer wieder gleich klingen oder die immer wieder ähnlich klingen, die diesen Mobile-Charakter haben, die sich immer wieder mit diesen Mustern beschäftigen. Ich weiss es nicht, ich schliesse bei seiner intellektuellen Verfassung aus, dass das ein "brand" war, ein Markenzeichen, was er ausgereizt hat. Ich habe schon das Gefühl, dass das da hinführt und dann da verweilt, was er macht.

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OS: Ich glaube, das ist relativ systematisch untersucht, in einem grossen Zeitraum, mit kleinen Veränderungsschritten. Das Tempo der Untersuchung entspricht dem Untersuchungsgegenstand. Es gibt ja diese ganz frühen kurzen Stücke, die sind so zwei bis drei Minuten lang, haben in ihrer Dichte auch noch viel mit Webern zu tun. Die enthalten schon all das, was er dann später gewissermassen ausbreitet.

CW: Naja, und das erste, was einem dann kommt, ist die Frage: Wie würde man diese kurzen Stücke hören, wenn es die langen nicht gäbe. Das meine ich mit diesem Gesamtzusammenhang. Als du mein Streichquartett zum ersten Mal gehört hast, hast du gesagt, man könnte da sechs oder acht Quartette draus machen, aus dem, was ich mir da ausgedacht habe, und das stimmt.

OS: Das gilt ja für Webern auch, finde ich. Da gibt es ja einige zeitgenössische Komponisten, die so eine Art homöopathische Rückverdünnung von Webern betreiben...

CW: Ja, und die Frage ist, ist das böse? Das ist eine Suche an einem Punkt...das kann man als traditionsbezogenes Komponieren betrachten, man kann sagen, das hat eine Schneise geschlagen und jetzt muss die kultiviert oder beackert oder fruchtbar gemacht werden, wie auch immer man das nennt. Also ich merke jetzt, wo wir länger darüber reden, ich finde die Diskussion darüber, wie man selbst Musik hört, das Sich- Bewusstmachen wie man selbst Musik hört, ist nicht nur aus dem Grund entscheidend, weil man das beim Improvisieren tut, sozusagen "live", "online" wie man sagen würde...

OS: In realtime...

CW: Genau, realtime audio, sondern es ist natürlich auch so, dass man sich überhaupt nicht wehren kann gegen das Hören der eigenen Musik auf diese Art. Dass das natürlich die Art, wie man das macht unglaublich beeinflusst. Das ist diese Feedbackschleife und du hast das als microloop nochmal beim Improvisieren, diese berühmten Fragen, die man sich nicht stellen darf: was habe ich gerade gespielt, warum war das so scheisse, usw.

OS: Die grosse Feedbackschleife hast du als Komponist ja auch, so deine Werke jemals aufgeführt werden, das werden sie ja in der Regel ein einziges Mal, dann hast du ja auch ein Feedback und das beeinflusst, glaube ich, auch, wie du dann dein nächstes Werk angehst...

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CW: Was ich interessant finde, ist die Sinnfrage: macht es Sinn, einen Prozess zu analysieren, der nur einmal stattfindet. Das ist eigentlich so ein bisschen die Knackpunktdiskussion bei Improvisation. Also, wenn du jetzt eine Komposition machst, dann bekommst du ein Feedback, also das geht so nicht oder da ist es total öde, so ist das ja.

OS: Dann ändert man was...

CW: Dann gehst du beim nächsten Mal da dran und versuchst das anders zu machen. Ob das dann klappt, ist nochmal eine lang zu diskutierende Frage aber ...

OS: Wobei ich glaube, dass es viele Komponisten gibt, die überhaupt nicht so denken. Das ist ja schon sehr prozessorientiert gedacht...

CW: Ja, ich weiss es auch nicht, aber sowohl dieses Modell Feldman legt das ein bisschen nahe, dass da jemand Dinge abarbeitet und auch die Geschichte der Dinge, die Rückmeldungen auf die Dinge, versucht zu verarbeiten. Oder siehe Boulez mit seinem ganzen Derive...

OS: Da ist es auf einer Materialebene...

CW: Da ist es auf einer ganz handwerklichen Ebene unglaublich präsent als Prozess. Auch bei Cage finde ich das interessant zu beobachten, dass zum Beispiel dieser Schritt von Variations Eins auf Variations Zwei eine Korrektur eines Fehlers ist. Da kannst du ganz klar sehen, da hat er gemerkt, da ist ein bug drin. Wenn du nur Variations Eins anschaust, ist dieser bug esoterisch und wenn du auch Variation Zwei anschaust, wird es klar, dass es ein Fehler ist. Also dass es keine Geheimbotschaft ist, sondern ein Fehler.

OS: Wobei der Fehler ja manchmal die Geheimbotschaft sein kann...

CW: Yes, der Fehler ist die Tür zum Unbekannten, ganz oft. Speziell in der Improvisation, aber auch beim Komponieren -mit Sicherheit.

OS: Ich würde schon eine systematische Arbeit zugrunde legen, sonst wird es schwierig...

CW: Ja, also sagen wir mal, es hätte einen Sinn, im komponierten Zusammenhang dieses Feedback aufzunehmen in den Prozess. Das bedeutet, -und das merkt man ja daran wie Komponisten über Musik reden-, das bedeutet, dass die ein Vokabular entwickeln, also dass sie Dinge auf eine bestimmte Art benennen, in diesem Buch über Nuova Consonanza zum Beispiel wird über Stockhausen geredet, wird seine Musik als punktuelle Musik bezeichnet, was ich ganz interessant finde, diese Fixierung auf den Beginn und die Objekthaftigkeit von so einem Klang anstatt auf den gesamten Prozess oder gar die Dynamik zwischen den Spielern. Das heisst, die Tendenz da, Dinge zu benennen, kommt meiner Meinung auch daher, dass man sie reflektieren will. Und die Tendenz in der Improvisierten Musik, das Reden darüber und damit hauptsächlich das Benennen von Dingen, zu tabuisieren, hängt natürlich mit dem umgekehrten Impuls zusammen. Dass man irgendwie davon ausgeht, dass das Prozesse sind, die dadurch kaputtgehen(wenn man darüber redet). Das hat eine zwangsläufige Logik, wenn du sagst, du darfst beim Spielen nicht denken. Dann ist auch jeder Gedanke, den du dir vor und nach dem Spielen machst schädlich, weil er dir potentiell dann wieder kommen kann oder weil er dich dazu veranlasst, dich mit ihm zu beschäftigen während des Spielens. Für mich war das Erkennen, das ich denken möchte, während des Improvisierens ein wahnsinnnig wichtiger Schritt. Das habe ich bei dir ganz ähnlich erlebt: je langsamer es wurde, desto begeisterter warst du. Du hast hauptsächlich über den Orginalitätsdruck geredet (der weggefallen ist), über den Zwang Dinge zu erfinden (der weggefallen ist)...

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OS: Und das eben möglichst schnell, wer zuerst mahlt...

CW: Zu diesem Thema gehört auch die Problematik, Stücke zu schreiben wo jemand bei 1'30 was spielen soll, egal was. Also wo man sozusagen die Freiheit am entscheidenden Punkt rausnimmt uns sie woanders reingibt, wo sie hauptsächlich stresst. Wo nämlich dann die Forderung im Raum steht: spiele bei 1'30 was wirklich Geiles. Anstatt: wenn du was Geiles spielst, spiele es dann wenn du es findest, also: wenn dir eine gute Idee kommt, kannst du sie spielen.

OS: Andererseits gibt es, -das hat ja auch unser letztes gemeinsames Konzert in Dresden gezeigt-, immer noch die Potenz der Verbindung von Notiertem und Improvisiertem. Indem bestimmte Dinge notiert sind, entsteht ja auch eine Freiheit, weil man die Verantwortung nicht mehr hat. Wenn du weisst, das du bei 32'' etwas tust oder nicht tust oder mit etwas aufhörst, dann kann das eine Freiheit sein. Man kann von beiden Perspektiven aus die Dinge immer als Zwang oder als Chance beschreiben...

CW: Was für mich erhellend war, war diese zweite Arbeitsphase, die wir mit Henrik hatten, wo er gesagt hat, er will sein Stück nicht nochmal spielen, was wir beim erstenmal von ihm gespielt haben. Er hat beim ersten Mal schon ganz klar gesagt, er würde das Stück anderen Musikern nicht geben. Das benennt zwei ganz entscheidende Punkte von so einer Art von Komposition: Dass man sie eigentlich für einen ganz bestimmten Anlass machen muss und für ganz bestimmte Leute. Je spezifischer du in der Partitur wirst, desto mehr Leute können das lesen. Je freier du in der Partitur wirst, desto genauer musst du sie formulieren für bestimmte Leute.

OS: Das Stück von mir (Quodlibet für Flöte, Klarinette und Zuspielband), was wir gestern aufgenommen haben, könnte aus dieser Partitur niemand anderes spielen. Man könnte es übertragen, in eine "anständige" Partitur...

CW: Was würde mit uns passieren, wenn das Stück übertragen würde in eine ordentliche Partitur und wir sollten das dann spielen. Könnten wir dann noch so damit umgehen, wie wir damit umgehen? Da sind die Punkte, wo man merkt, wie fragil das ist, diese Brücke, die die Partitur oder Spielanweisung baut.

OS: Ich habe das Gefühl, man landet wahnsinnig schnell in einer bürokratischen Welt, wenn man versucht eine "amtliche" Partitur zu schreiben. In der Verwaltungswelt der Ensembles und Orchester, die ich nicht so interessant finde.

CW: Das ist natürlich eine Folge: Wenn du einen Dom zeichnest, dann brauchst du viele Leute, wenn er dann Wirklichkeit werden soll. Wenn du selber eine Blockhütte baust, siehe Ludwig Wittgenstein, dann kannst du die wirklich genauso bauen, wie du das dann für richtig hältst und das heisst improvisieren. Reagieren darauf, dass du ein Holz spaltest und feststellst da ist plötzlich eine riesige Beule: ja dann baue ich es an einer anderen Stelle ein.

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OS: Da muss man sich darüber klar werden: was sind die Vorteile des Improvisierens, und welche Aufgaben sind für den Spezialisten. So, wie du ja auch ab einer gewissen Komplexität des Blockhüttenplans sagen würdest: Jetzt muss doch mal ein Statiker ran und die Sache überprüfen, so ist es glaube ich auch sinnvoll für eine bestimmte Partitur, einen bestimmten Plan, Herrn Arditti oder wen auch immer zu bestellen.

CW: Wobei, kein Statiker gibt dir einen Blanko-Plan, wenn du jetzt sechs Blockhütten aufeinanderstellen willst beispielsweise und sagst: Lass uns mal den Statiker holen, der unterschreibt mir das. Das wird der nicht machen, sondern der wird sagen das geht auf drei verschiedene Arten und dann sind wir bei den aleatorischen Kompositionen. Bei sowas wie Evangelistis "Aleatorio" zum Beispiel. Wo der Spieler bestimmte Alternativen aussuchen kann, oder bei Boulez "Sonate...", also was da alles nochmal beschrieben wird in dem Consonanza-Buch. Wo die "freien Formen" diskutiert werden.

OS: Das Beispiel mit dem Statiker ist natürlich nicht ganz richtig, ein Musiker wäre eher ein Handwerker mit speziellen Fähigkeiten...

CW: Wenn man eine japanische Holzverbindung haben will, um den Giebel zusammenzustecken...

OS: Genau, dann muss man den Fachman holen...

CW: Oder eben, sich das Buch bei Dick kaufen und ganz langsam anfangen...

OS: Du willst ja nicht mal den Sushi-Kurs mit mir gemeinsam besuchen...

CW: Ich meinte jetzt eher den Darmstädter Ferienkurs...

OS: Machen die auch Sushi da?

--------------kurze Pause-----------------

CW: Also ich finde schon, es schälen sich so ein paar Grundbegriffe heraus: Das ist dieser pragmatische, also das Plazet, worauf wir uns glaube ich einigen können, im Zusammenhang mit Werkzeugen: Pragmatik als Gradmesser. Also, wenn ich plötzlich sage, ab dieser Stelle möchte ich ein koordiniertes Ding haben und das muss halt dann, Scheisse nochmal, geübt werden, das ist glaube ich... deswegen interessiert mich immer so sehr die Zusammenarbeit mit E-Musikern, weil ich sage, wir können vieles nicht, was ich aber gerne haben möchte, und die können durch uns sovieles...das war eben der beglückende Moment da in Basel bei der allerersten Probe (mit dem Baseler Streichquartett) und auch in Köln nochmal, mit diesem neureinkommenden Bratschisten, der das irgendwie sofort gespannt hat und den das auch fasziniert hat als Vorgang. Da kann man, glaube ich, relativ schnell sagen, so und so müsste man das organisieren/ machen. Das kippt relativ schnell auf eine sachliche Ebene, da braucht man gar nicht lang zu reden, das macht man so, das macht man so, das macht man so. zurück
Der zweite (Grundgedanke), der, finde ich ulkigerweise auch mit dem ökologischen Gedanken kommuniziert, oder mit einem ergonomischen oder ökonomischen Gedanken, ist, dass man sagt: Machen wir uns doch nicht mit dem falschen Werkzeug an der falschen Baustelle kaputt.

OS: Das finde ich auch einen ganz wichtigen Gedanken! Und der berührt auch das Problem -klingt ja wie komponierte Musik, ist aber improvisiert- oder umgekehrt, was mir mit dem Bassklarinettensolostück von Fernehough so ging absurderweise, wo ich eben auch sagen würde, ja, falsches Werkzeug.

CW: Ich glaube eben auch, dass eine Generation von Musikern kommt oder schon da ist, die wesentlich weniger Probleme hat, mit diesen Freiheiten umzugehen. Die muss man halt suchen oder man muss sie motivieren. Leute wie die Baseler (Baseler Streichquartett) sind nicht geschult gewesen im Umgang mit diesen Dingen und das habe ich mir einfach vorher in Ruhe überlegt und habe dir das ja auch nochmal gezeigt, was ich da als Blättchen gemacht hatte für die erste Probe. Da scheint es ganz wichtig zu sein, dass man sich klar ausdrückt und dass man wie ein Regisseur vermittelt, man weiss, was man will und man weiss um die Probleme, die daraus resultieren. Und ich glaube auf jeden Fall, das trifft dann den Artikel, den du mal kopiert hast, dass die... also für uns sowieso, spielt die grossorchestrale Musik keine Rolle. Aber ich glaube auch, dass diese Formen von einem Neuaufbau von Kommunikation in diesen kleinen Strukturen viel einfacher sind.

OS: Ab einer bestimmten Ensemblegrösse wächst der Verwaltungsaufwand in den Himmel...

CW: Und es gibt nicht mehr dieses face-to-face, das ist das Problem, du trittst dann anonym diesem Komplex gegenüber

OS: Es wird dann kafkaesk...

----------Pause-----------

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CW: Was mich auch noch beschäftigt, worüber wir auch mit Henrik geredet haben, ist die Konzertsituation. Wenn es dann soweit wäre...dass ja da auch eine Fülle von Mitteilungen und Konnotationen schon da sind, mit denen man irgendwie auch kämpft. Oder die man vielleicht nicht dabeihaben will.

OS: Wobei sich Henrik interessanterweise gegen alle in Richtung Installation gehende Gedanken gewehrt hat...

CW: Das ist ein guter Grund, dass man sagt, diese Fokussierung (der Konzertsituation) sollte man nicht leichtsinnig aufgeben. Die Konzentration, die diese Situation provoziert oder erzwingt.

OS: Ich meine auch nicht, dass man die leichtsinnig aufgeben soll...

CW: Das war ja auch eher eine Warnung oder Beobachtung von Henrik, dass er gesagt hat, er hat das noch sehr selten sinnvoll erlebt.

OS: Ich möchte an vorhin nochmal anknüpfen, an die Frage ob es sich überhaupt lohnt, sich mit einer improvisierten Struktur im Nachhinein zu beschäftigen, weil die ja dann nie wieder so erzeugt werden kann. Ich finde, dass durch die Möglichkeit, das aufzunehmen, die Sache schon anders aussieht. Das ist auch noch so ein Feld, wo ich das Gefühl habe, da muss man nochmal ein paar Gedanken dran verschwenden. Also was auch diese neuen technischen Möglichkeiten beinhalten oder bieten. Bis hin zu dem Plan, den wir mal hatten-, in getrennten Räumen gemeinsam improvisiert und jeder dann seinen Part transkribiert. Dieser ganze Komplex, auch diese Spektralanalyse, die ich mal von dem PNB Stück gemacht habe, was man mit sowas anstellt. Diese Spur würde ich gerne nochmal weiterverfolgen.

CW: Dass diese Baustelle immer wieder faszinierend ist, hat man auch gestern gemerkt, dass die Aufdoppelung... das sind alles auch kommunikationstheoretische Phänomene. Das ist so lustig, wenn wir bei deinem Stück dieses "bip" spielen und dann kommt von Band "bip" und dann spielen wir "bip bip" und dann kommt von Band "bip bip bip" und du denkst: aha..! Dabei ist es so trivial... Wenn man überhaupt über die Bedeutung von Musik spekuliert, dann müsste man das aus einem kommunikationstheoretischen Impuls heraus tun, und sagen: was erzählt das.

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